Saturday, November 29, 2008

Singularity

I hope that nobody will come and visit the Wall of Time, as I type this, in the last minutes of November 29, 2008. I hope so, because statistics indicate that today would then have been the first day (since Wall of Time came to new life in February earlier this year) on which nobody has visited. Now, this is not a bad thing. This is rather a very good thing, finally, something interesting is happening in the overwhelming amounts of senseless statistics a simple and irrelevant literary web-based notebook like this produces, every day. Normally, that is. Today, a big Zero lights up inmidst the steady flow of 28, 37, 106, or 49 visitors we usually witness each and every day, 24/7.

Please, come in, have a look around; but thanks honestly for giving the internet a real sense of space and limits today. A singularity in time and space, a zero with a smile. Speak soon, dear visitors, here at the Wall of Time.

Dieser Beitrag ist auf Englisch, doch einiges an der Zeitmauer gibt es auch in der hervorragenden Kultur- und Verwaltungssprache Deutsch zu lesen.

Saturday, November 22, 2008

Walking in D.C.

Problemlos reiste ich ein in das neue Land. Nicht einmal meine Fingerabdrücke wurden genommen; es lag bestimmt an kaputter Gerätschaft, aber mir war, als sei der Geist Obamas bereits in operation. Bereits wenige Stunden nach der Ankunft fand ich mich an der Ecke 7th & F wieder, wo ich mit dem Kollegen und Neurolinguisten Walt Whitman verabredet war. Die lose Bekanntschaft war schnell aufgefrischt, und er schwärmte mir vor, wie alles blühe hier in D.C., mitten im Herbst, in den wenigen Tagen seit der Wahl. Whitman erwies sich als bestens informiert: Das neue Killers-Album bezeichnete er als healthily camp—die Qualität der Verse in seinem Verdikt wohl gnädig aussparend—, zahlreiche Werke in der neuen Georgetown Gallery of Modest Art hatten es ihm offensichtlich angetan, ich konnte mir unmöglich alles merken (eine neue Videoarbeit von Antje Majewski müsse ich mir unbedingt anschauen), und bei einem iced cheese cake im Bistro “Poste” im Hotel Monaco gegenüber überzeugte er mich, dass der sehr ehrbare Rizzolatti selbst nicht haftbar zu machen sei für die Mirror Neuron-Pest in den Empathie–, Erziehungs– und Ratgeber-Schundbüchern. Ich war überwältigt von der Energie des alten Mannes: Whitman hatte in den späten 1960ern hartnäckig versucht, eine aus Heidegger abgeleitete Chomsky-Interpretation im Affenmodell zu überprüfen, war damit aber stets bei Geldgebern und den wichtigen Zeitschriften durchgefallen. Heute—und dafür wird er ebenso bewundert wie belächelt—arbeitet er mit einem ebenfalls sehr eigenwilligen kombinierten EEG– und MRT-Setup daran, Körperschwingungen, wie sie beim Vokalisieren entstehen, in elektrischen Strom zu wandeln und mithilfe einer Armada von schlauen Physik– und Elektrotechnik-Studenten in einem mehr oder weniger klassischen EEG-Feedback ins Hirn zurückzuspeisen. Erfrischt und ermutigt von so viel liebenswertem Wahnsinn in unserer Branche schlenderte ich mit ihm die Straße hinauf zum Empfang im Goethe-Institut, wo Whitman von meinen wie seinen Landsleuten emphatisch begrüsst wurde. Eine gute, neue Zeit.

Apologies to our readers who prefer our English posts.

Tuesday, November 18, 2008

Vorwärtsrechnung

—Washington, D.C., a day in yesterday’s future

Ich sitze an der Zeitmauer. Ich komme hierher, wenn sich die kleinen Dinge des Alltags wieder zu einem großen Rätsel aufgetürmt haben. Dann, so heute, sitze ich hier und lasse die Beine baumeln über dem noch Unaussprechlichen.

Ich sitze an der Zeitmauer, mit einer Straßenkarte des schwäbischen Waldes aus den späten 1960er Jahren in der Hand. Ich sehe meine Eltern mit einem sogenannten Käfer umherfahren, ich bin ein Punkt ohne Ausdehnung im noch zu spinnenden Gespinst zweier Menschen.

Ich sitze an der Zeitmauer, und mich schwindelt, wie meist an Abgründen. Mich schwindelt vor der Höhe, und vor der Strecke. Mich schwindelt bei der Idee, dort ins Unaussprechliche, Unplanbare vorzufühlen, hinauszuspüren. Morgen schon wird die Mauer sich selbst einige Meter nach vorn in eben jenes Unaussprechliche hinein umzemetiert haben, und wieder werden die Beine baumeln und wird die Seele spannen.

Ich sitze an der Zeitmauer, jeden Tag fast, und schaue hinaus, und ich danke Ihnen, dass Sie manchmal zurückschauen, von dort draussen. Was sehen Sie, wenn Sie mir zuschauen, wie ich da sitze, anbrande an die Grenzen meinerselbst?


Apologies to our readers who prefer our English posts.

Sunday, November 16, 2008

The lab has opened

Just an editorial side note from Washington, DC: There’s more to life than science, you know, but not much more.

Monday, November 10, 2008

Tuesday, November 04, 2008

Heute sind wir alle Amerikaner: Ingo Niermanns JOIN THE U.S. ARMY

Am vergangenen Freitag eröffnete der Autor und Künstler Ingo Niermann in der Berliner Galerie ZERN seine Ausstellung JOIN THE U.S. ARMY, passend zu den heute bevorstehenden Umstürzen im Heimatland dieser großen Militärmacht.

Ich war auch anwesend, geplagt von widerstrebenden Eindrücken – doch am Schluss gewann das Leuchten in meinen Augen, nach der wiederholten gedanklichen Rückkehr zur Kindheit in den frühen 1980er Jahren, als während des NATO-Doppelbeschlusses es meinen Eltern leider nicht geboten schien, ihrem Kind ein ordentliches Gewehr auszusägen, und deshalb nur Holz-Tomahawks (die Äxte, nicht die Raketen) zur Verfügung standen.

WALL OF TIME konnte in den unmittelbaren Turbulenzen nach der Vernissage mit dem deutschen Künstler Ingo Niermann ein kurzes Gespräch führen.

Lieber Ingo Niermann, als wir bei WALL OF TIME von Ihrer Ausstellung JOIN THE U.S. ARMY hörten, zögerten wir keine Sekunde, Ihrem Ruf Folge zu leisten. Und die Eröffnung geriet ja auch zum veritablen Spektakel, von den gestrengen Recruiting Officers der Galerie ZERN über die wunderschönen M-16 Holzgewehre – wer hat diese eigentlich ausgesägt?

…Ein mir nicht bekannter, kundiger Schreiner…

– bis zu Ihrem Drill Instructor Thoralf. Ein sehr guter Name, im Übrigen. Wieso eine Ausstellung, Ihre erste Einzel-Ausstellung, zur US-Armee? Hat diese nicht ein sehr schlechtes Image?

Keine andere Armee ist auch nur halb so mächtig.

Im Begleittext zur Ausstellung wird Bezug genommen auf den Cargo-Kult der auf den Neuen Hebriden Verbreitung erfuhr, eine – bitte korrigieren Sie mich – Form der kultischen Verehrung von US-Cargo-Gütern, die die Verheerungen des Pazifikkriegs an diese Inseln spülten. Ist es tatsächlich so, dass dort bis heute der US-Armee wie einer Gottheit gehuldigt wird? Sie waren 2004 einmal dort, stimmt das?

Cargo-Kulte gibt es auf vielen Südsee-Inseln. Die Güter wurden während des Zweiten Weltkriegs von gegen Japan kämpfenden GIs auf die Inseln gebracht. Auf der Insel Tanna im Inselstaat Vanuatu (ehemals Neue Hebriden) wird der eschatologischen Gottheit John Frum einmal jährlich mit einer eigenen US-Armee gedacht. Christian Kracht und ich hatten im Februar 2004 die Ehre, diesem Fest beizuwohnen, und erfuhren, dass auf der Insel, im Krater des Mount Yasur, auch der Geist von Amerika Zuflucht gefunden hat. Der Geist von Amerika – so auch der Titel eines gemeinsam mit Christian Kracht verfassten Aufsatzes, abgedruckt in Krachts “New Wave” (Köln, 2006) und dem von Chus Martínez herausgegebenen Katalog “Pensée Sauvage” (Frankfurt/M., 2007).

Mir fiel auf, dass sehr viele Un­ge­dien­te und Frau­en Ihrem Ruf Folge leistet­en und sofort und be­reit­wil­lig der U.S. ARMY be­itrat­en. Hatten Sie das geahnt, waren Sie sich dieses Zuspruchs gar sicher im Vorfeld? Und warum wollen nun auf einmal alle der US-Armee angehören? Was ist das Geheimnis?

Die schöne Flagge, die schönen Gewehre und die Macht.

Ein integraler Bestandteil der Ausstellung schien mir neben den Holzgewehren und dem Rekrutierungsprozess selbst die Feilbietung und Aufnahme von frei verfügbarem, hochprozentigem Alkohol zu sein. Ich selbst fürchtete kurzzeitig, mittels des Alkohols vielleicht “shanghait” zu werden und mich am nächsten Morgen auf einem Flugzeugträger der dann leider echten U.S. ARMY wiederzufinden. Dies passierte nicht, aber: Weshalb der Alkohol, der in der echten U.S. ARMY wie in jeder Armee sicher streng verboten und doch Teil der Kultur ist?

Alkohol ist eine klassische Rekrutierungsdroge, die sich – wie ich von an dem Abend anwesenden US-Amerikanern erfuhr – auch heute noch die US-Armee während des Spring Breaks zunutze macht.

Commander Niermann, aufmerksame Besucher Ihrer Ausstellung konnten Zeuge werden, wie Sie wiederholt davon sprachen, dies sei erst der Anfang gewesen, und es gehe “immer weiter”. Wohin bitte geht es immer weiter mit der Niermannschen U.S. ARMY?

Geplant sind weitere Rekrutierungen sowieso Ausbildungscamps mit den bereits Rekrutierten.

Oh. Das betrifft auch mich. — Heute wird gewählt, Sie feiern in Ihrer Ausstellung auch eine große Wahlparty unter dem Motto “My Country, right or wrong”. Sehen Sie direkte Implikationen für die U.S. ARMY durch den Ausgang der Wahl?

Nein.

Vielen Dank für das Gespräch!



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